Manchmal frage ich mich, ob überhaupt noch im Sinne der Sache nachgedacht wird oder ob Entscheidungen nur durch populistische Bauchentscheidungen gefällt werden. Jüngstes Beispiel ist die Meldung der OZ einer Tageszeitung, die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte an der Straße "Am Strande" durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h zu erreichen. (Quelle entfernt). Für Nicht-Rostocker: die Straße "Am Strande" ist eine der wichtigsten Durchfahrtsstraßen für Rostock und führt zum größten Teil am Stadthafen entlang, also nicht direkt durch Wohngebiete, sondern, lufttechnisch gesehen, durch offenes Gelände.
Was bringt also eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h? Moderne Kraftfahrzeugantriebe arbeiten bei dieser Geschwindigkeit im unteren Teillastbereich, sind sie doch für wesentlich höhere Geschwindigkeiten konstruiert - schließlich sollen sie auch außerorts und auf Autobahnen ebenso flott vorankommen. Als Maß dafür mag der Kraftstoffverbrauch herangezogen werden, jeder Autofahrer hat sicher für sein Fahrzeug einen optimalen Geschwindigkeitsbereich ermittelt. Dieser liegt meist wesentlich höher als die geforderten 30 km/h - eine Kraftstoffeinsparung und damit niedrigere Luftbelastungen werden also damit sicher nicht erreicht. Was passiert also, wenn die Geschwindigkeit wirklich auf diesen Wert begrenzt wird? Zuerst einmal wird jedes einzelne Fahrzeug eine längere Zeit brauchen, um den fraglichen Bereich zu durchfahren, es verweilt also länger in dieser Straße und - bei einigermaßen konstanter Schadstoffemission - werden also mehr Stickoxide in die Luft abgegeben. Der sinkende Fahrzeugdurchsatz erhöht die Anzahl der gleichzeitig in der Strecke vorhandenen Fahrzeuge. Diese knnen infolge geringer Geschwindigkeit auch enger auffahren, so daß die Fahrzeugdichte noch weiter steigt. Auch dies bewirkt sicher keine Reduzierung der Schadstoffe, sie werden im Gegenteil sogar noch zunehmen.
Soweit zur Sache an sich, nun muß man sich fragen, wer denn nun überhaupt Nutzen von dieser Geschwindigkeitsbegrenzung zieht. Nochmals zur Erinnerung für die Nicht-Rostocker und für die, die es schon vergessen haben: es gibt noch eine andere Möglichkeit, die Stadt zu durchqueren - den Warnowtunnel. Diese Projekt bescherte Deutschland seinerzeit den ersten mautpflichtigen Straßentunnel und dessen Betreiber schreiben wohl noch immer keine schwarzen Zahlen. Die für die Effektivitätsteigerung dieses Tunnels damals vom ADAC sinngemäß prophezeiten "Blumenkübel zur Verkehrsberuhigung wichtiger Durchfahrtsstraßen" sind also in der Gegenwart angekommen, zumal die Stadt schon im letzten Jahr eine Geschwindigkeitsreduzierung auf dieser Strecke vorgenommen hat - wegen schlechter Fahrbahnbeschaffenheit von 60 auf 50 km/h.
Statt notwendiger Investitionen für eine zukunftsfähige Lösung wird also mit Verboten gedroht und bei deren Durchsetzung sicher noch einmal mehr verdient, Bußgelder sind für eine arme Stadt auch Einnahmequellen. Dabei sollte (neben der ebenso notwendigen Erhaltungssanierung der Straßendecke) der Aufwand für eine Lösung der gegenwärtigen Situation höherer Schadstoffemission nicht allzu schwierig sein: Die Fahrzeuge müssen diesen Bereich mit optimalen Emissionswerten passieren, gleichbedeutend mit geringstem Kraftstoffverbrauch. Eine Möglichkeit dazu ist die Minimierung der Halte- und Anfahrtsphasen durch eine optimale Ampelsteuerung ("Grüne Welle"), da es ja schon in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die Verkehrsführung kreuzungsfrei und damit stauarm zu gestalten.
Vielleicht sollten sich die städtischen Bauämter bei der (auch an anderen Stellen sinnvollen) Lösung dieser Problematik von fähigen Fachleuten der Universität und anderer Betriebe unter die Arme greifen lassen.